Dr.-Ing. Tom Schneider Geschäftsführender Direktor Forschung + Entwicklung Humanoide Roboter sind längst keine Science-Fiction mehr. Während Unternehmen wie Boston Dynamics, Hanson Robotics, Universal Robots, Apptronik, Agility Robotics oder Figure.AI die technische Entwicklung kontinuierlich vorantreiben, steigen auch Automobilhersteller wie Tesla, Toyota und BMW in diesen Markt ein. Entweder entwickeln sie eigene Robotiklösungen oder setzen humanoide Roboter medienwirksam in ihren Produktionsstätten ein.
Viele Unternehmen stehen der Robotik in der Produktion noch skeptisch gegenüber. Bisherige Robotiklösungen gelten als teuer, unflexibel und schwer in bestehende Produktionsprozesse integrierbar. Besonders in der Metallverarbeitung und der Blechfertigung sind klassische Industrieroboter oft mit hohem Bedien- und Programmieraufwand verbunden. Diese Faktoren führen dazu, dass viele Betriebe weiterhin auf menschliche Arbeitskräfte setzen, anstatt auf Automatisierungslösungen.
Gleichzeitig steigt der Bedarf an flexibler Produktion – sowohl für kleinere Losgrößen als auch für hybride Produktionsszenarien, in denen Mensch und Maschine gemeinsam arbeiten. Die traditionelle Automatisierung stößt hier oft an ihre Grenzen.
Das Versprechen der humanoiden Roboter: Sie sind potenziell flexibler als klassische Industrieroboter, da sie menschenähnliche Bewegungen ausführen und sich in bestehende Arbeitsabläufe einbinden lassen.
Die Werkzeugmaschine der Zukunft kommt gebündelt mit dem Bediener
Die rasanten Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz ermöglichen es Robotern, neue Aufgaben selbstständig zu erlernen. Gleichzeitig sinken die Kosten für Hardware und Software rapide.
Die Vision ist vielversprechend: Hersteller liefern ihre Werkzeugmaschinen direkt mit einem Bediener aus - einem humanoiden Roboter. Humanoide Roboter könnten beispielsweise tagsüber gemeinsam mit Menschen arbeiten und nachts autonom große Losgrößen fertigen - ein Gamechanger in Produktionsumgebungen mit hoher Variantenvielfalt und wechselnden Losgrößen.
Die Realität der humanoiden Robotik
So vielversprechend humanoide Robotik klingt, die Realität zeigt, dass noch erhebliche Herausforderungen bestehen. Viele der aktuellen humanoiden Roboter sind eher technologische Demonstrationen als wirtschaftlich tragfähige Lösungen.
Besonders in der Blechfertigung sind verkettete Automatisierungslösungen klar im Vorteil. Diese etablierten Systeme sind effizient, kostengünstig und speziell für ihren Einsatz optimiert. Hier bieten humanoide Roboter bislang keinen Vorteil.
Wirklich spannend könnte humanoide Robotik jedoch sein, um kleine Losgrößen flexibel und automatisiert zu fertigen. Der Schlüssel hierzu liegt in der Entwicklung eines hochfunktionalen Robotergreifers– einer menschenähnlichen Hand, die präzise, vielseitige und feinfühlige taktile Bewegungen ausführen kann. Eine solche Hand könnte die Rüstzeiten in der Produktion drastisch reduzieren.
Doch genau hier liegt die größte Herausforderung: Die Sensorik, die komplexe Steuerung und das maschinelle Lernen solcher Roboter sind mit immensem Entwicklungsaufwand verbunden. Der Roboter müsste nicht nur Greifbewegungen perfekt nachahmen, sondern auch seine Umgebung in Echtzeit erfassen, Entscheidungen treffen und flexibel auf unerwartete Situationen reagieren. Derzeit scheitert es jedoch an der benötigten Rechenleistung, Sensorik und dem hohen Regelungsaufwand.
Zudem bleibt die Frage der Wirtschaftlichkeit: Während klassische Automatisierungslösungen mit etablierten Standards arbeiten und sich in wenigen Jahren amortisieren, sind humanoide Roboter derzeit noch mit immensen Entwicklungs- und Anschaffungskosten verbunden.
Ein Schritt in Richtung der Zukunft: Ein nachrüstbarer Ansatz mit klassischer industrieller sechs Achs Kinematik
Bis die Vision vollständig Realität wird, sind bereits heute Lösungen verfügbar, die in diese Richtung weisen. Ein Beispiel ist eine kompakte, positionierbare Biegezelle, die hohe Losgrößen fertigt. Sie benötigt wenig Platz, ist mit geringem Programmieraufwand verbunden und besonders für bestehende Produktionsumgebungen (Brownfield) geeignet. Die Kooperation mit neuen Betriebssystemen von Partnern wie intrinsic ermöglicht den flexiblen Einsatz von Basisaktuatoren (FANUC, Kuka, UR, Comau, ....).
Mit fortschreitender Entwicklung von KI und intuitiver Bedienung wird der Aufwand für das Einlernen solcher Systeme weiter sinken. Die Zielvision: Eine Produktion, in der tagsüber Mensch und Maschine flexibel zusammenarbeiten, während die Fabrik nachts automatisiert arbeitet (Nachhaltiger Wandel: weshalb die digitale Souveränität wettbewerbsentscheidend wird). Die positionierbare Biegezelle lässt sich beispielsweise einfach an die Biegemaschine heranfahren und in den Produktionsprozess integrieren – für die Fertigung einfacher Produkte in hoher Losgröße wäre dieses Vorgehen optimal. Kleine Losgrößen und komplexe Produkte, die einen erhöhten Programmieraufwand benötigen, fertigen Anwender manuell, wenn die positionierbare Biegezelle von der Biegemaschine abgedockt ist.
Blick in die Zukunft: Wann kommt der humanoide Werker?
Die technische Entwicklung schreitet unaufhaltsam voran. Fortschritte in maschinellem Lernen, Regelungstechnik und Sensorik bringen humanoide Roboter näher an die industrielle Realität.
Der Traum der humanoiden Robotik ist faszinierend – doch bis er in der Praxis umgesetzt wird, braucht es Zeit. Experten schätzen einen Zeitraum von 40 bis 50 Jahren als realistisch ein. Bis dahin sind kompakte, flexible Systeme mit nachrüstbarem Ansatz der pragmatische Weg in eine smarte, automatisierte Zukunft.
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- Robotik - Cobotik Kolumne
Humanoide Roboter in der Blechwelt: Wem sie helfen und wann sie einsetzbar sind
Veröffentlicht am 02/06/25