Die EU-Verordnungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit haben einen gegenteiligen Effekt, weil sie zu viele Ressourcen in Unternehmen bindenDie Vielzahl an Berichtspflichten und regulatorischen Anforderungen, die in den vergangenen Jahren auf die europäische Industrie hinzukamen, stellt Unternehmen in der metallverarbeitenden Branche vor enorme Herausforderungen. ANDRITZ Schuler bekennt sich seit Jahren aktiv zur Nachhaltigkeit und begrüßt grundsätzlich die Ziele der EU-Kommission. Doch die Praxis zeigt: Der bürokratische Aufwand ist mittlerweile kaum noch zu bewältigen.
Das hat auch die EU-Kommission erkannt und Vorschläge zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung und Sorgfaltspflichten gemacht, die in die richtige Richtung gehen. Die geplanten Änderungen an der Lieferkettenrichtlinie (CS3D), der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), der EU-Taxonomie und dem CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) sollen die Berichtspflichten um bis zu 80 Prozent reduzieren und die Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) deutlich vereinfachen. Im Europäischen Parlament wurden bereits über 1.000 Änderungsanträge eingebracht, jetzt stehen entscheidende Verhandlungen an. Es ist daher umso wichtiger, dass die Substanz der Vereinfachungen erhalten bleibt und nicht verwässert wird.
Jede Regulierung bindet einen Beschäftigten
Die Vielzahl an EU-Regulierungen – von der Entwaldungs- über die Batterie- bis hin zur Chemikalienverordnung und der Antikorruptionsrichtlinie – bindet erhebliche Ressourcen in den Unternehmen. Konkret heißt das bei uns, dass für jede Richtlinie mindestens ein Mitarbeiter mit der Umsetzung beschäftigt ist. Allein, um unsere direkten und indirekten Treibhausgas-Emissionen (Scope 1 & 2) zu berechnen, müssen wir rund 200 Datenpunkte pro Standort und Quartal erfassen. Hinzu kommen jedes Jahr Kosten für Zertifizierungen im sechsstelligen Bereich. Unterschiedliche Anforderungen je Land und Prüfer führen zu zusätzlicher Unsicherheit und erschweren die Vergleichbarkeit. Im Ergebnis bleiben weniger Zeit und Energie für die eigentliche Steigerung der Nachhaltigkeit und Innovationskraft. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein.
Nehmen wir den CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) als Beispiel. Er zwingt uns jedes Quartal dazu, unzählige Seiten an Daten von Lieferanten einzuholen, nur um diese dann von Hand (!) in das Zollportal einzugeben. Viele unserer Lieferanten brauchen dabei unsere Hilfe, und wenn dann schließlich alle Felder ausgefüllt, abgetippt und die Informationen hochgeladen sind, erfahren wir nicht einmal, was damit geschieht – geschweige denn, welchen positiven Effekt sie denn auf die Nachhaltigkeit gehabt haben sollen.
Treibhausgas-Emissionen um die Hälfte gesenkt
Noch mal: Wir stehen zu den Nachhaltigkeitszielen, Dekarbonisierung ist einer der drei Grundpfeiler der ANDRITZ-Strategie – neben Digitalisierung und Service. Bis 2030 wollen wir unsere Treibhausgas-Emissionen im Bereich Scope 1 & 2 um 42 Prozent und im Bereich Scope 3 um 25 Prozent gegenüber 2023 reduzieren. Zwischen 2019 und 2024 konnten wir unsere Scope-1&2-Emissionen um mehr als 50 % gegenüber 2019 senken – ein Jahr früher als geplant.
Darüber hinaus bietet ANDRITZ seinen Kunden ressourceneffizienten Lösungen für den grünen Wandel wie etwa Technologien zur CO₂-Abscheidung, Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff und erneuerbaren Kraftstoffen, Lösungen für die Batterieproduktion und das Textilrecycling sowie hochmoderne Pressen- und Automatisierungslösungen für die Metallverarbeitung, die Energieeffizienz und Materialeinsparungen ermöglichen. Unser Engagement wurde jüngst mit der EcoVadis-Goldmedaille gewürdigt – ANDRITZ zählt damit zu den besten fünf Prozent von über 150.000 bewerteten Unternehmen weltweit.
CO₂-Fußabdruck einer Werkzeugmaschine in nur einem Tag berechnen
Und genauso wenig sperren wir uns gegen gesetzliche Vorgaben. So haben wir uns beispielsweise maßgeblich in die Entwicklung eines standardisierten Berechnungsansatzes eingebracht (VDMA-Einheitsblatt 34178), der die Ermittlung des CO₂-Fußabdrucks einer Werkzeugmaschine innerhalb nur eines Tages möglich macht. Dabei werden die Treibhausgasemissionen von der Wiege bis zum Werkstor („Cradle-to-Gate“) erfasst. Ziel ist es, die Richtlinie zur international anerkannten ISO-Norm weiterzuentwickeln.
Wofür muss die Politik jetzt sorgen?
Erstens: Planbarkeit und Verlässlichkeit anstatt der Einführung ständig neuer Regulierungen, in die sich Unternehmen jedes Mal wieder einarbeiten müssen. Die Sorgfaltspflichten sollten sich dabei auf das eigene Geschäft, Tochtergesellschaften und direkte Lieferanten beschränken und nicht auf Bereiche erstrecken, auf die wir gar keinen Einfluss haben.
Zweitens: Die Vorgaben für Datenerhebung und -verarbeitung müssen sich verbessern, um Datenimport zu ermöglichen und Doppelarbeit wie beim CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) zu vermeiden. Hier muss auch die Wirksamkeit transparent werden, um den Effekt auf die Nachhaltigkeit nachvollziehbar und messbar zu machen – und zu zeigen, dass sich der ganze Aufwand auch lohnt.
Drittens: Nationale und EU-weit geltende Regeln müssen harmonisiert werden, um eine unterschiedliche Umsetzung in den Mitgliedsstaaten zu verhindern, die ansonsten zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Auch für importierte Maschinen müssen dieselben Regeln gelten wie für europäische Produkte.
Andere Unternehmen haben schon kapituliert
Nachhaltigkeit ist integraler Bestandteil unserer Strategie. Wir wollen den grünen Wandel ermöglichen, doch in ihrer jetzigen Form haben die entsprechenden EU-Verordnungen einen gegenteiligen Effekt. So manch ein anderes Unternehmen aus der Branche hat vor der Regulierungswut schon kapituliert. Es wird deshalb höchste Zeit, dass dieser ausufernden Bürokratie endlich Einhalt geboten wird.
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- Ökologie Kolumne
Gut gemeint, schlecht gemacht
Veröffentlicht am 11/11/25